31.01.2014

2013 ° Platz 8 ° Pinnick, Gales, Pridgen



PINNICK, GALES, PRIDGEN



Die große Überraschung des vergangenen Jahres ist das erste Album dieses All-Star Trios, und ich hätte all das wirklich nicht für möglich gehalten: Bassist/Sänger dUg Pinnick von King's X, Gitarrenwunderkind Eric Gales und der zwischen Genie und Wahnsinn pendelnde Thomas Pridgen, der schon bei den Koffeinüberdosis-Alben von The Mars Volta für sowas ähnliches wie "Groove" zuständig war, haben unter der Regie von Mike Varney (u.a. Shrapnel Records, die älteren werden sich erinnern) dessen musikalischer Vision Leben eingehaucht und ein vor Kraft und Groove nur so strotzendes Rockalbum zusammengebastelt, das mir unter normalen Umständen gar nicht aufs Radar geplumpst wäre - hätte ich nicht im letzten August ein aktuelles Interview mit dUg Pinnick gelesen, in dem er über seine Schulden, seinen Hausverkauf, seinen Umzug nach Los Angeles, sein Soloalbum und eben diese Kollaboration berichtete. Da machte sich der Florian anschließend mal wieder Gedanken: der Mann ist nun seit 23 Jahren mehr oder weniger an meiner musikalischen Seite, und gerade in den letzten drei Jahren ist meine Wertschätzung gegenüber seiner Hauptband nochmal deutlich größer geworden - wie kann es sein, dass dieser Typ nach 40 Jahren im Musikbusiness, mit Majordeals und zig Welttourneen, zudem als hochrespektierter und -verehrter Musiker seine Rechnungen nicht bezahlen kann?

Das Ergebnis: ich las, klickte und kaufte. An einem Abend gleich vier Platten. "Pinnick, Gales, Pridgen" war eine dieser Spontankäufe, und selbst wenn ich anfangs eher an ein trauriges, stehengelassenes und kaltes Resteessen dachte, wurde ich vom Probelauf der Single "Collateral Damage" ordentlich durchgeschüttelt. Das Video ist zwar ein Skandal und selbst mit ordentlich Ironie unter der Mütze noch nicht mal ein halbsteifer Witz, aber der Song kann alles. ALLES! Wenn man ihn laut hört. LAUT! Und nicht nur der: Gales, ein Rechtshänder, der eine Gitarre für Linkshänder spielt, die auch noch saitenverkehrt (pun intended!) aufgezogen ist, feuert ein mächtiges, bluesinspiriertes Riff nach dem anderen ab und zeigt sich auch bei den von ihm gesungenen Tunes bestens bei (Blues)Stimme, Pridgen gibt dem Affen spätestens bei "Black Jeans" ordentlich Zucker, lehnt sich aber ansonsten nicht über Gebühr aus dem Fenster, dUg beeindruckt wie gehabt mit seiner einzigartigen Stimme und einem Basssound, für den andere töten würden. Zusammen brutzeln die drei Helden an einem kochendheißen Grooverock-Sud, deutlich an der Rockmusik der 70er Jahre orientiert, aufgepeppt mit klassischen, manchmal leicht alternativen King's X Verweisen ("Wishing Well") und moderner, saftiger Produktion. Das für mich bemerkenswerteste Element von "Pinnick, Gales, Pridgen" ist hingegen eines, das nur schwer zu erklären ist - es findet sich eine Art Hedonismus in dieser Musik, der zwar so manch dunkleren Note und bitterem Wort gegenübersteht, mich aber gleichzeitig mit satter Lust am Leben an die Wand nagelt. Nicht klischeehaft breitbeinig, ohne Macho-Attitüde, dafür im allerbesten Sinne cool, aufrichtig und in den besten Momenten tatsächlich einen Tacken rebellisch. Eine Platte für stilvolles Feiern mit guten Freunden. Dafür schalte ich meinen Nihilismus gerne mal einen Abend lang ab. Für mich ist das die beste Rockplatte des Jahres.

Erschienen auf Magna Carta, 2013.

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