19.10.2014

Let The Shyce Flow - Iron Maiden von unten (Teil 1)



Die New Wave Of British Heavy Metal-Legende Iron Maiden, seit ihrer Reunion mit Leadsänger Bruce Dickinson wieder dick im Geschäft, um nicht zu sagen dicker denn je, macht zumindest unter dem kritischeren Teil der Anhängerschaft, also weltweit immerhin circa 7 Personen, seit mehreren Jahren in erster Linie mit einer zweifelhaften Veröffentlichungspolitik Furore - mehr jedenfalls als mit neuer Musik oder Tourneen: das letzte Scheißalbum "The Final Frontier" war vor allem ein Scheißalbum, und die Liveauftritte sind angesichts des Stellenwertes der Band einerseits und im Vergleich mit den Showelementen anderer Größen wie Rush, AC/DC oder auch Metallica andererseits, allenfalls solide. Wie ein Abend im Pub mit Labberbier aus dem Eigenurin-Katheterbeutel oder Pommes rot/weiß. Man weiß eben, was man bekommt: eine meistens gähnend-sacköde Setlist, seit Jahren/Jahrzehnten altbekannte Backdrops, eine Lightshow wie 1985 aus der Long Beach Arena geplumpst und ein drei Meter großes Modell von Maskottchen Eddie, das drei Minuten über die Bühne stakst. Es überrascht in diesem Sinne nur die übersichtlich talentierten Maiden-Fans, dass die Band, obwohl sie sich immer entsprechend in Szene setzten, aus technologischer Sicht niemals Vorreiter war. Zur Unterstützung der These schauen wir auf drei Stationen ihrer Karriere:

Erstens: 1996 wurde das Videospiel "Melt" monatelang mit überschwänglichem Tam-Tam angekündigt, anschließend bis auf zwei Sätze und damit praktisch kommentarlos ("It was crap. Maiden want to give their fans something to blow them away.") eingestampft und später durch "Ed Hunter" ersetzt; ein Spiel, das schon 1996 wirkte, als hätte es ein Commodore Amiga 500-Entwickler als Hobby zwischen zwei Valiumtrips an Weihnachten 1987 ersonnen - was Steve Harris selbstverständlich nicht davon abhielt, folgendes zu Protokoll zu geben: "It's the most amazing thing I've ever seen. I don't get shocked very often, but Ed Hunter was so good." Es soll Menschen geben, die heute noch darüber lachen. Über das Spiel. Und über Steve Harris. 


Zweitens: das Album "Dance Of Death", nicht nur eine musikalische ("Wildest Dreams") und textliche ("Age of Innocence"), sondern auch visuelle Unverschämtheit, die mit der dazu passenden Hintergrundgeschichte gar zu einer tragischen Angelegenheit wird:

"Der erste Entwurf zeigte Eddie als Sensenmann mit vier Mönchen im Hintergrund. Um dem Cover etwas Pep zu verleihen, beauftragte Rod Smallwood, der Manager der Band, einen Mitarbeiter von ironmaiden.com, die Charaktere um Eddie herum auszuarbeiten. Der Entwurf wurde an Patchett zurückgesandt. Da dieser mit dem Resultat nicht zufrieden war, bat er darum, nicht im Booklet erwähnt zu werden. Als das Cover im Internet veröffentlicht wurde dachten viele Fans, dass die Band ihnen einen Streich spielen wollte." 
(http://de.wikipedia.org/wiki/Dance_of_Death_(Album)#Hintergrund). 

Sowas passiert also, wenn Maiden mit "neuer" CGI/3-D-Computergrafik experimentieren. 


Drittes Zeugnis von der ziemlichen Komplettahnungslosigkeit, wie es im nicht mehr ganz so neuen Jahrtausend läuft, ist das Video des Titeltracks von "The Final Frontier", zusätzlich auch noch der Song mit der beknacktesten Textzeile des gesamten Backkatalogs, überraschenderweise noch vor "Bring your daughter to the slaughter": 

"But I wish I could talk to my family and tell them one last goodbye"

Wie miteinander verwachsen natürlich mit einer irrsinnig miesen Melodyline kombiniert. 

Bon, Maiden-Videos waren niemals Sternstunden der Kreativität, sehr oft sogar ziemlich hell strahlende Intelligenzdetonationen, und dazu muss ich nicht nur auf den unfassbaren und peinlicherweise offiziellen "Wildest Dreams"-Clip verweisen, auf den ich nicht mal verlinken kann, weil es wahrscheinlich selbst für Youtube zu beschämend war, das Ding zu hosten. Oder auf das "Holy Smoke"-Video. Oder - Alex Meier Fußballgott steh' mir bei - auf "Virus", konsequenterweise auch der nicht nur vielleicht furchtbarste Maiden-Song aller Zeiten, trotz gummiharter Konkurrenz von "The Angel And The Gambler". Aber können sich die Typen nicht mal wenigstens ein bisschen anstrengen? Es gibt so viele kreative, junge Menschen, warum muss man sich diese fremdschamverursachenden Hilflosigkeit von Harris' Gärtner oder künstlerischen Dinosauriern wie Smallwood einflüstern lassen? Mein lieber Herr Gesangsverein. 




Normalerweise macht man sich damit zum Gespött der Leute, bei Maiden klingelt immer noch und wieder die Kasse. Dazu gibt's auf der Bühne die gleichen Ansagen, die gleichen Posen und die selbe kumpelhafte Anbiederei seit 35 Jahren. "Wir sind Maiden, ihr seid die Besten und wir wären nichts ohne Euch!". Damit ist die Band immerhin nicht alleine, und wer sich zumindest ein bisschen im via der "Early Years" DVD öffentlich ausgebreiteten Gedankenkosmos von Bassist Steve Harris und Manager Rod Smallwood auskennt, seit jeher die beiden Kapitäne im Millionen-Euro-Dampfer Iron Maiden Ltd., dürfte von der Sucht nach Publicity und Anerkennung dieser beiden Alphatiere auch nicht wirklich überrascht sein.

Nach jahrelanger und tatsächlich sehr harter Arbeit beim Aufbau einer kleinen englischen Pub-Kapelle zu einer der erfolgreichsten Metal-Bands aller Zeiten in den achtziger Jahren, war der durch sinkende Relevanz in Folge des Sängerwechsels von Aushängeschild Bruce Dickinson hin zum bemühten, aber überforderten Ersatz Blaze Bayley ausgelöste Schmerz beim Duo Harris/Smallwood am Ende sogar so unaushaltbar, dass man sich nach dem Abschluss der "Virtual XI"-Tournee 1999 mit dem ehemals zur persona non grata erklärten Dickinson versöhnte - und die Kulissen der "Truman-Show" wieder in die Szenerie rollen konnte.

Dazu gibt es mehr in der zweiten Folge zu lesen. 

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