12.12.2015

Eierlikör unterm Weihnachtsbaum




SKALLANDER - SKALLANDER


Wer mich länger als dreikommaviernull Tage kennt, wird wissen, dass der feine Herr Blogger in so mancher Hinsicht einen an der Ratsche hat, und ich möchte sogleich beruhigen: wir gehen nicht alle Punkte einzeln durch, denn dafür reicht die Zeit (dieses Planeten) nicht aus - ein Blick in meinen Badezimmerschrank genügt, um sich verstört die Murmel zu kneten. Ich liebe Parfum und alles, was damit zu tun hat, weil das total "punk" (M.Cyrus) ist und meinen kritischen und subversiven Spirit optimal widerspiegelt. Und weil es natürlich ein dekadenter Quadratscheiß ist. It's a satanic scent thing you wouldn't understand. Period!!!einself 

Ich habe natürlich, um die Angriffsfläche noch weiter zu vergrößern und weil's eh schon scheißegal ist, eine Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterkollektion: spritzig-grünes für den Frühling, ein bisschen mehr Tiefe mit Zitrus im Sommer, gräulich vor sich hin moderndes für den Herbst und süße, opulente Gewürzbomben für die Temperaturen unter 5°C und Schneefall. Nun ist's aber so: natürlich könnte ich ein frisch-feines Frühlingsnichts auch im Dezember verwenden. Oder ein tonnenschweres Nebelhorn aus Vanille, Patchouli und Leder (huch: nicht vegan!) bei 38°C im Schatten. Aber ich bin ja nicht bescheuert, beziehungsweise eben doch: es geht sich halt partout nicht aus. Ich fühle mich damit einfach nicht wohl; es ist, als würde man morgens nonchalant zur Bushaltestelle laufen und hätte vergessen, sich eine Hose anzuziehen. Oder man trägt eine Unterhose aus kratzender Wolle - was man auch und ganz besonders aus hygienischen Gründen viel öfter machen sollte. Und warum geht's hier die ganze Zeit um Hosen? Und um Parfum? Geht's denn immer nur ums Bumsen? Klare Antwort: log'n!

Bei Musik geht es mir ganz ähnlich, allerdings ist hier die emotionale Verbindung zum von der Novemberdepression geplagten Stammhirn eine transparentere, wenn nicht logischere: Zartbesaiteter und weichsemmeliger Indiepop mit Fistelstimme kommt mir in den hellen Zeiten des Sommers, in denen ich das Leben noch ein bisschen mehr liebe als sowieso schon, ganz bestimmt nur sehr selten auf den Plattenteller. Wenn es draußen aber schon um halb fünf dunkel ist, und der durch die engen Gassen Sossenheims gepeitschte Nieselregen zärtlich am Gehsteig festfriert, und die Kanne Jasmintee allem Schlechten und Verdorbenen dieser Welt als Schwert der Empathie und des verbrannten Gaumens entgegengehalten wird, während die Heizung ("WAS? DU MACHST DIE HEIZUNG SCHON AN? IM NOVEMBER? BONZENSPIESSER! PUNKROCK ALAAF!") verzweifelt versucht, die über der Wäscheleine hängende Katze zu trocknen ("WAS? DU TROCKNEST DEINE KATZE AUF DER WÄSCHELEINE? HAST DU KEINE MIKROWELLE, DU REAKTIONÄRER SPASTI?"), dann passt sich der ausgewählte Soundtrack nach einem intellektuell erfüllenden Arbeitstag dem pathosgebleichten, melancholischen Blick auf die Netflix-Auswahl an. Und dann kann man auch mal zartbesaiteten, weichsemmeligen Indiepop mit Fistelstimme hören. Und lieben.

Skallander kommen aus Neuseeland, bestehen aus Matthew Mitchell und Bevan Smith und ihr drittes Album erschien überraschenderweise auf Type Records - einem Label, das sich für gewöhnlich dem experimentellen Spektrum von Noise-Avantgardisten widmet. Skallanders Musik flutscht dagegen aus einem anderen Universum auf den Plattenteller: eine superweiche Samtflauschmusik aus akustischem Indiepop mit spätsommerlichen, in den Herbst hineinrutschenden Farbtönen - melancholisch und nachdenklich, dabei aber nicht dunkel, sondern tatsächlich eher sonnengereift. Ich könnt's im Juli nicht hören, aber vielleicht ist es die Erinnerung an laue Sommerabende mit Mojito, Mücken und Mumus, die mich im November zu einem sabbernden, willenlose Stück Kräutertofu macht. Manchmal, wie in "Time Is Only A Revolution" linsen aufgrund der Gesangsharmonien sogar die verfluchten Beatles durch milchig-angelaufene Fenster, was kein Problem ist, wenn du die Beatles nicht magst: selbst ich kann darüber hinweg sehen und sogar die Vorzüge goutieren.

Ich habe das Album übrigens blind gekauft, denn bei diesem wunderbaren Artwork musste ich einfach zugreifen. Und ich wusste: schlecht kann das nicht sein. 

Hatte übrigens recht. 




Und weil's gerade so schön passt, mein Parfumtip zu dieser Platte: Parfumerie Generale - Cozé 
Unter Eingeweihten auch "Kotze" ausgesprochen:
"Nach was riechst Du denn so gut?"
"Kotze."

Erschienen auf Type Records, 2007.

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