31.07.2016

Return To L.A.




BADLANDS - VOODOO HIGHWAY


Das zweite Album dieser All-Star Band um die ehemaligen Ozzy/Black Sabbath Mitglieder Jake E. Lee und Ray Gillen ging nach ihrem durchaus erfolgreichen Debut aus dem Jahr 1989 aus verschiedenen Gründen leider ziemlich unter. Einerseits war die gesamte Rockszene zu Beginn der 1990er Jahre gerade in einer großen Umbruchphase, die zum weltweiten Siegeszug des Alternative Rocks führen sollte, andererseits war das Bandgefüge wegen der Eskapaden der beiden Platzhirsche schon während der Aufnahmen so deformiert, dass das zuständige Label Atlantic kurz nach Veröffentlichung von "Voodoo Highway" die Reißleine zog, die Band feuerte und die Promotion für das Album einstellte. Zwei Monate später zog "Nevermind" den Stöpsel aus dem Sammelbecken der traditionellen Hardrock Bands. 

Es ist vor diesem Hintergrund nur eine kleine Überraschung, dass die zu jener Zeit entstandenen Alben der Hardrock- und Hair Metal-Acts in Sachen geschenkter Aufmerksamkeit mit in den mit Pudelfrisuren vollgesifften Abfluss gezogen wurden und in den jeweiligen Diskografien, wenn überhaupt, nur eine Nebenrolle spielen - dabei sind sie im Vergleich mit den Megasellern nicht selten die interessanteren Werke. Als Beispiele lassen sich "Hollywood Vampires" von den L.A. Guns oder das brilliante "Heartbreak Station" von Cinderella in den Ring werfen - oder eben "Voodoo Highway". 

Natürlich war das selbstbetitelte Bandlands-Debut kein schwaches Album, ganz im Gegenteil gilt es heute unter Kennern als absolute Sternstunde des klassischen Hardrock und selbst der Zahn der Zeit hat nicht so furchtbar viele Stellen gefunden, "Badlands" diesen Stellenwert abzunagen. "Voodoo Highway" geht hingegen stilistisch in eine andere Richtung, ist rauher, basischer, erdiger, echter. Alleine der Sound mit einer im Prinzip total runtergefahrenen, fast schon nackten Bühne, auf der sich eine Hand voll Wüstensand mit ein paar Gläsern Tennessee Whiskey vermischt, ist ein echter Hinhörer, denn er setzt zusammen mit dem Artwork den Maßstab für die Stimmung der Platte: Dämmerung, schwül, sandig - und zwischendurch haut man sich alle vier Sekunden auf den feuchtgeschwitzten Hals, um die Moskitos zu bekämpfen. Die Songs sind konsequent bluesiger als auf dem Debut, verschwunden sind dessen bombastische Hitmagneten, jetzt steht der Blues vor der Tür. Ein bisschen verstrubbelt und runtergerockt, ohne auch nur eine zu viel gespielte Note, kompakt und mit viel Drive und Verve inszeniert - Anspieltipps sind "Soul Stealer" und das wahnsinnige Uptempomonster "Heaven's Train".

Dazu singt mit dem im Dezember 1993 verstorbenen Ray Gillen ein absoluter Meister seines Fachs und veredelt die neue Ausrichtung der Songs mit großer und großartiger Stimme - eine Stimme, die soviel Lust und Freude und meinetwegen die Mischung aus Eskapismus und Hedonismus ausstrahlt, dass ich es mir von meiner Couch in Last Exit Sossenheim in voller Pracht und Blüte vorstellen kann, wie halb Los Angeles im Sommer 1991 in den Bars und Clubs und Hausparties zu dieser Musik feierte, tanzte, lachte und sich in den Armen lag. Das ist über Songs und Sound hinaus das eindrücklichste, was ich dieser Platte mitgeben kann, wenn nicht muss: es macht irrsinnigen Spaß, "Voodoo Highway" zu hören. Es ist gerade 1 Uhr morgens, ich dimme jetzt das Licht, schenke mir einen Bourbon ein und drehe die Platte nochmal um. 

Ihr seid immer auf der Suche nach vergessenen Perlen? Hier habt ihr eine gefunden. 

Für die empfehlenswerte Vinylausgabe ist mittlerweile leider ein ganzer Batzen Geld auf den Tisch zu legen, aber ihr wisst ja: Keep calm and your eyes open.





Erschienen auf Atlantic, 1991.

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