22.09.2016

Astral hinters Licht




QLUSTER - ECHTZEIT


"Und wenn Keith Jarrett diese Platte hört, setzt er sich nie wieder an einen Flügel." schrub ich zu Beginn des Jahres 2013 über "Antworten", den dritten Teil der Qluster "Fragen" - "Rufen" - "Antworten"-Trilogie, und auch wenn der unerbittlich mit sich selbst ringende Schwerstarbeiter unter den Improvisierern diese ganz bemerkenswerte Platte ganz offensichtlich immer noch nicht gehört, oder jedenfalls wenigstens meinen Text noch nicht gelesen hat, empfehle ich hier und heute all' meinen dreikommavier Lesern, selbiges zu tun. Also sowohl das eine, als auch das andere. Stichwort: Jetzt erst recht.

"Echtzeit" ist mittlerweile bereits das sechste Werk von Hans-Joachim Roedelius, Onnen Bock und Armin Mentz und nach dem reinen Klavieropus "Tasten" aus dem letzten Jahr eine Rückkehr zu einer etwas elektronischeren Ausrichtung. Es ist auf jeder Ebene eine leise Rückkehr, was angesichts der bisherigen Alben des Trios indes nicht sonderlich überraschen mag: viel Raum, viel Ruhe. Wenig Bewegung. Aber darüber musste ich nachdenken - stimmt das denn überhaupt? Stillstand? Verharren? Schon alleine aufgrund der Musiker und ihrer Historie ist das eigentlich ein völlig absurder Gedanke, aber "Echtzeit" hat mich ein bisschen ausgetrickst. Qlusters Musik ist so zurückgezogen und so akkurat auf einen Mikrometer Hirnfläche ausgerollt, dass die eigentliche Bewegung, vor allem die in Richtung Herz-Chakra, sich in ein Flirren am Sommerhorizont aufzulösen scheint. Eine aurale Täuschung, die solange die Oberhand gewinnt, bis man "Echtzeit" selbst näher auf die Pelle rückt und den Zoom neu einstellt.

Tatsächlich sind Qluster in ständiger Bewegung und erschaffen unentwegt neue Ebenen und neue Richtungen. Manchmal, nicht oft, lässt sich ein kurzes, vermeitliches Zögern ausmachen, eine kurze Pause zur erneuten Wegbestimmung, zum wortlosen, aber dafür energetischen Gedankenaustausch, bevor wieder eine Idee vor und hinter die nächste und die letzte gesetzt wird. Meistens ist das Resultat solcher Orientierung eine bemerkenswerte, weil unerwartete Melodie. Am besten Nachzuhören auf "Beste Freunde" und "Weg Am Hang". 

Eine Bemerkung zum Abschluss: Zumindest die mir zugesandte Vinylausgabe von "Echtzeit" ging leider wieder in Richtung des Mailorders zurück - ein stetes Kratzen und Zischeln lässt auf eine misslungene Pressung schließen und ist auf einem Ambientwerk durchaus unangebracht. Hier empfehle ich also die CD oder den Download. Streaming kann mich mal. Immer noch. Und meinetwegen auch immer wieder.





Erschienen auf Bureau B, 2016.


Keine Kommentare: