25.09.2016

Sounds Like Shit - Deja Vu




WARRIOR SOUL - DESTROY THE WAR MACHINE 
(Vinyl Edition)


Was sich auf den ersten Blick wie ein Sympton einsetzender Demenz von Herrn Dreikommaviernull liest, "zumindestens" (Bruno Labbadia) für diejenigen Leserinnen und Leser, denen dieses Schicksal bislang erspart blieb, ist auf den zweiten Blick gar keine schnöde Wiederholung alter Fanboy-Herrlichkeit, sondern viel eher ein kurzes, vor Enttäuschungen warnendes Signalfeuer aus allen schreiberischen Rohren des Autors. Naja, aus fast allen.

Dass "Destroy The War Machine" (oder "Chinese Democracy", wie das Werk in der Originalversion hieß) ein extragutes, mächtig Drive und Seele versprühendes Warrior Soul Album war und ist, eingespielt von einer perfekten Rock'n'Roll Band und also der besten Begeitband, die Kory Clarke seit dem Ende jenes Line-Ups um sich versammelte, das die legendäre "Space Age Playboys" Platte einspielte, wissen wir hier alle - und wer es nicht weiß, soll nun um Himmels Willen nicht den Fehler machen, sich die auf 333 Stück limitierte und handnummerierte Version der Scheibe auf weißem Vinyl zu besorgen, die dieser Tage via der italienischen Wiederveröffentlichungsspezialisten Night Of The Vinyl Dead erscheint. Es sei denn, du hast einen ebenso monumentalen (sic!) Dachschaden wie ich und findest Gefallen an lediglich schön anzuschauenden Gimmicks. 




Denn außer sich an dem blütenweißen, von der jornalistischen Integrität einer Ilona Christen frisch durchgebimsten, hell funkelnden Vinyl zu erfreuen, bleibt hier von der ersten Begeisterung nicht mehr viel übrig - und ich rede dabei gar nicht in erster Linie von dem Fehldruck auf dem Inlay, auf dem die Texte von "Motor City" und "Don't Believe" gleich zwei Mal aufs Papier gezaubert wurden. 





Spätestens, wenn sich die Nadel ab der Plattenmitte jeder abspielbaren Seite unaufhörlich in Richtung Auslaufrille bewegt und von dem vollen, satten voluminösen Sound der Originalversion nur noch ein scheppernder, kratzender, verzerrter und übersteuert klingender Klangscheißdreck übrig bleibt, der sich also aus den Lautsprechern in Gehör, Gehirn und Geherz fräst, macht sich Enttäuschung breit.

Immerhin eine solch große Enttäuschung, dass ich entgegen meiner sonstigen Gepflogenheiten via Twitter mit den Machern des Labels Kontakt aufnahm, um zu fragen, ob das denn eine offizielle Night Of The Vinyl Dead-Version sei. Vielleicht hat auch ein...sagen wir...ein Eichhörnchen in einem Hinterhof die Platten auf zwei plattgdrückten und vom letzten Winterschlaf noch gehorteten Walnussschalen gepresst und illegal den Namen des eigentlich durchaus renommierten italienischen Labels aufs Cover gestempelt, weiß man's denn? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten - das sei alles 100% authentisch und von Warrior Soul-Chef Kory Clarke höchstpersönlich abgesegnet; was wie auf Kommando nach ein paar Tagen sogar via eines in die Twitterspähre hinaustrompeteten Fotos gezeigt wurde, auf dem Clarke, wahrscheinlich direkt nach dem Aussaufen eines Fasses von Gerhard Polts "Schwedischen Kaffee" abgelichtet, zusammen mit den beiden Labelchefs und einem Exemplar von "Destroy The War Machine" zu sehen ist. 




Eine Nachfrage beim Mailorder meines Vertrauens ergab, dass ich nicht der erste sei, der sich über die Pressqualität beschwert, Zitat:"Da hat der Cutter wohl total versagt."

Das hat er wohl.

Dabei ist "Destroy The War Machine" in Sachen unterirdischer Klang- und Pressqualität natürlich nicht alleine - vor allem die zur Plattenmitte zunehmende Verzerrung erlebe ich in schätzungsweise drei von zehn Fällen und ausschließlich bei Neuware, mal mehr, mal weniger schlimm. Freund Jens beklagt sich beispielsweise in erster Linie über die steigende Anzahl von Scheiben mit signifikantem Höhenschlag - und das auch nicht erst seit gestern. Dazu kommen klassische Pressfehler wie das unangenehme und so gar nicht charmante und "warme" Knistern. Der Vinylhype bringt also nicht nur Gutes wie schön gemachte und super klingende Schallplatten an die Oberfläche, er zeigt auch, wie Presswerke funktionieren (müssen), um der immer noch steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Die alten Könner, die Gurus des Schnitts und der Galvanisierung, die Mitte der 1980er Jahre auch mal dreißig Minuten pro Seite auf fast schon durchsichtiges Butterbrotvinyl knisterfrei zum Strahlen und Klingen brachten, sind in Rente, die jungen Nachfolger sind vielleicht noch nicht soweit, stehen dazu unter ständigem Stress - und verkacken es immer öfter. Warum die Anzahl der Rückläufer nicht bedeutend höher ist, beantworte ich im Prinzip in diesem Text an anderer Stelle, und es ist kein schmeichelhaftes Urteil mir gegenüber: ich bin eben zu doof. Anstatt den Krempel mit geharnischten Worten und einem geknödelten "Retuuuurn To Sendeeeer" auf den Lippen zurückzuschicken, freue ich mir trotzdem einen Ast, dass ich jetzt dieses weitgehend unhörbare Ding im Schrank stehen habe. Verrückterweise werde ich es auch künftig immer wieder mal auflegen, und wahrscheinlich immer noch öfter als die CD-Version. Ich bin eben einfach zu doof. 

Für die anderen kann ich im Prinzip nicht sprechen - aber der Grapevine bestätigt zumindest in Teilen meine Vermutung: die meisten Platten werden wohl einfach gar nicht gehört. Die Leute kaufen sich den Krempel als Gimmick, Wertanlange oder was auch immer, gehört wird aber gefälligst bequem über AldiLife (das gibt's ja tatsächlich?!) - mobil, Sound eh scheißegal, weil es die 400 Euro Kopfhörer ja wieder rausreißen - Stichwort Dachschaden, Einsendeschluss: der Tag, an dem Dein Lieblingsplattenladen schließt. Jedenfalls: die Preise steigen, die Qualität nimmt ab, das Exklusivitätsgewichse nimmt zu. Und die Ignoranz gleichermaßen. Was Night Of The Vinyl Dead mir zur Pressqualität von "Destroy The War Machine" sagten? 


Schade isses schon. 

Erschienen auf Night Of The Vinyl Dead, 2016.


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