05.11.2017

Bruce Dickinson - Soloworks



BRUCE DICKINSON - SOLOWORKS


Bruce Dickinson, der Mann mit einer Lebensenergie, die selbst ein Eichhörnchen auf Speed wie ein sediertes Faultier aussehen lässt, veröffentlicht dieser Tage seine insgesamt sechs Soloalben auf Vinyl, die sowohl als einzelne Exemplare, als auch zusammengefasst in einem Boxset "Soloworks" erhältlich sind. Das sind fantastische Neuigkeiten, womit "Soloworks" am Ende des Jahres ziemlich sicher mit den (Wieder)Veröffentlichungen der beiden Großtaten von King's X "Dogman" und "Ear Candy" um den Titel "Re-Release des Jahres" kämpfen wird. 

Wie bei King's X gibt es auch bei Bruce einen besonderen Clou für alle Vinyljunkies: zwei der sechs Studioalben - "The Chemical Wedding" und das vorerst letzte Werk "Tyranny Of Souls" - sind bislang ausschließlich auf CD erschienen und kommen nun also erstmalig auf den schwarzen Scheiben in den Handel. Von den übrigen vieren ist lediglich das Debut "Tattooed Millionaire" noch immer zu fairen Kursen erhältlich, für "Balls To Picasso", "Skunkworks" und "Accident Of Birth" muss bisweilen sehr tief in die Tasche gegriffen werden - sofern man nicht den "Accident Of Birth"-Bootleg aus den Jahren 2013/2014 erwischt, für den man zwar trotz verändertem Artwork, unbedruckter Innersleeves und eines kolportierten absoluten Scheißsounds immer noch mindestens gesalzene 40 Tacken überweisen muss - was aber nur etwa 40% dessen ist, was die Originalausgabe von Raw Power Records aktuell kostet. Auch hier darf also getrost die Konfettikanone gezündet werden. 

Weil ich erstens hoffnungslos verblenderter Fanboi und zweitens auch mit aller aufgesetzter Objektivität (es ist und bleibt einfach eine Lüge) Dickinsons Oevre ausgesprochen positiv gegenüberstehe, nehmen wir doch "Soloworks" zum Anlass, seine sechs Studioalben Revue passieren zu lassen. 

Startschuss in 3...2...1....*peng*





TATTOOED MILLIONAIRE (1990)

Gemäß des Gerüchts aus dem Maiden-Camp, Dickinson hätte bereits nach der auszehrenden "World Slavery Tour", die die Band über ein komplettes Jahr durch die ganze Welt führte, und also als Vorbereitung auf das nächste Studioalbum "Somewhere In Time" Songs geschrieben, die insbesondere von Maiden-Boss Steve Harris allesamt mit der Vermutung abgelehnt wurden, bei Dickinson hätte der Post-Tour Burn Out wohl am härtesten zugeschlagen, weil sie den Einsatz von im Metal ungewöhnlichen Instrumenten wie Flöten, Tamburine und Mandolinen notwendig gemacht hätten, wäre es beinahe zu erwarten gewesen, das zwischen den beiden Maidenalben "Seventh Son Of A Seventh Son" und "No Prayer For The Dying" aufgenommene und erschienene Solodebut des Sängers könne zu einer sehr unrockigen und ruhigen Angelegenheit werden. 

Stimmt aber nicht: "Tattooed Millionaire", eingespielt vom damals neuen Maiden-Gitarristen Janick Gers und der Rhythmusfraktion der britischen Hardrockband Jagged Edge (*), liegt auf ziemlich klassischer Rock'n'Roll-Linie. Neben einigen Highlights wie dem satten und großartig gesungenen Opener "Son Of A Gun", den swingenden Titelsong und der guten Ballade "Gypsy Road", lassen sich jedoch auch Peinlichkeiten wie "Lickin' The Gun" oder "Zulu Lulu" finden, die ein wenig die Aura der künftigen Maiden-Gammelsongs des kommenden Studioalbums wie "Hooks In You" und "Bring Your Daughter To The Slaughter" versprühen - und das besonders letztgenannter einer der schlimmsten Geschmacksaussetzer Dickinsons ist, muss hier nicht besonders erwähnt werden; die goldene Himbeere für den schlechtesten Soundtrack-Song ist völlig verdient. Trotzdem hinterlässt "Tattooed Millionaire", nicht zuletzt wegen der guten A-Seite und des versöhnlichen Abschlusses mit "No Lies", einen positiven Gesamteindruck. 

Viel wichtiger als die schnöde Songaufzählung über gut, schlecht, tralala: Ich habe viele schöne Erinnerungen an diese Platte. Das erste Rockkonzert meines Lebens erlebte ich mit meinem Bruder und seiner damaligen Freundin in der Frankfurter Batschkapp im Sommer 1990. Auf der Bühne stand Bruce Dickinson. Und das werde ich nicht nur wegen des wenige Jahre später gekauften und an diesem Abend mitgeschnittenen Bootlegs nie vergessen. 





Zum Re-Release selbst: Wie alle sechs Vinylveröffentlichungen erscheint auch "Tattooed Millionaire" im Gatefold Cover mit bedruckten Innenhüllen nebst kleiner Geschichte zur Entstehung des Albums - und darüber hinaus. 
Die Pressqualität ist gut, aufgrund eines leichten Kratzens in den Songpausen aber nicht perfekt, der Sound klingt wuchtiger und voller als mein zugegebenermaßen sehr abgenudeltes Original. 

Für Fans von absolut verstörenden Videoclips zwischen Klimbim und Monthy Python:






(*): Zusätzliche Plattentipps für Menschen, die klassischen AOR zu schätzen wissen: Jagged Edges erstes und einziges Studioalbum "Fuel For The Soul" erschien 1990 gar auf einem Majorlabel und bietet exzellenten, melodischen Hardrock aus England, das vor allem produktionstechnisch offensichtlich auf den amerikanischen Markt zugeschnitten war. Wer zu den ersten beiden Alben von Thunder gerechtermaßen auf die Knie sinkt und dazu das Debut der Amirocker Skid Row (zugegebenermaßen ohne deren Energie und Rebellion) goutiert, sollte sich "Fuel For The Soul" unbedingt auf den Einkaufszettel kritzeln. Jagged Edge Sänger Matt Alfonzetti sang später beim Alternative-Outfit Skintrade und veröffentlichte Mitte der neunziger Jahre zwei ebenfalls gar nicht so üble, wenngleich heute womöglich etwas angestaubt klingende Platten. Jagged Edge Gitarrist Myke Gray gründete übrigens später Skin, die sich mit ihrem etwas moderner ausgerichteten Hardrock bis zu ihrer Auflösung in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre in England eine durchaus große Fanbase erspielen konnten und sogar bei den ersten Sessions zu Dickinsons zweitem Streich als Backing Band engagiert wurden.








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