05.12.2017

Bruce Dickinson - Tyranny Of Souls





Soll bloß niemand sagen, ich hätte es nicht versucht. 

"Tyranny Of Souls" war eine der größten musikalischen Enttäuschungen der nuller Jahre und stand ganz bestimmt nicht auf meiner Einkaufsliste, nachdem die Veröffentlichung des Dickinson'schen Backkatalogs angekündigt wurde. Andererseits: wenn ich schon das Portemonnaie für die gesammelten Werke seines Schaffens öffne, warum sollte ich nicht einen weiteren Versuch starten, mich dem bislang letzten Solowerk nochmal zu nähern? Schließlich bin ich heute ein anderer Mensch als noch 2005. Vielleicht ist die Zeit zwölf Jahre später gekommen, um seine vermeintliche Größe zu entdecken. Wäre immerhin nicht das erste Mal, dass eine Hörpause wahre Wunder bewirken kann. 

Um es abzukürzen: die Zeit war nicht gekommen.

Ich musste mich förmlich durch dieses Album kämpfen. Der Gang zum Plattenspieler, um die Scheibe auf die B-Seite umzudrehen, fühlte sich an, als hätte mir jemand Beton in meine schnieken Tommy Hilfiger Socken gefüllt und die Erdanziehung hätte sich flugs verzehnfacht. Das fällt nach einer blanken Frechheit wie "Navigate The Seas Of Cheese Of The Sun", die die A-Seite beschließt, gleich besonders schwer. Man sieht's mir bitt'schön nach, aber das sind einfach keine guten Songs. Schwerfällig, ideenlos, billig, unausgereift - das Team Roy Z und Bruce Dickinson, das für die Aufnahmen auf das bewährte Backing Band aus den "Accident Of Birth"-Liveshows und den "The Chemical Wedding" Sessions verzichtete, versagt mit Billo-Metal Riffs von der Stange ("Abduction", "Soul Intruders"), grausamen Refrains ("Kill Devil Hill", "Devil On A Hog"), Fliegengewicht-Trällereien ("Power Of The Sun"), einer flapsigen, sterilen und erschreckend phantasielosen Produktion nebst unausgereiften Gesangslinien auf fast ganzer Linie. Einzig "Believil" mit seinem an den Titeltrack von Maidens "Seventh Son Of A Seventh Son" erinnernden Mittelteil und das gute, aber mit einer Gitarrenwand aus feinstem Butterbrotpapier gezimmerte, jedoch wenigstens mit einer halbwegs brauchbaren Hookline ausgestattete "Tyranny Of Souls" lassen einen Hauch Atmosphäre aufkommen und erinnern entfernt an alte "The Chemical Wedding" Herrligkeit, wenngleich ersterer mit seinem Bontempi-Kinderorgelsounds selbst einem Geschmackselfmeter wie Steve Harris die Schamesröte ins Gesicht treiben würde.

"Tyranny Of Souls" ist ein leicht zu dechiffrierender, weil völlig oberflächlicher Schnellschuss, bei dem sich die beiden Protagonisten nicht mal die Mühe gemacht, potemkinsche Dörfer aufzubauen: keine richtige Band, keine gemeinsamen Aufnahmesessions, Drummer Dave Moreno (aka Angelo Sasso) "spielte" die Platte auf Basis von Roys Demoaufnahmen "ein", Roy wiederum jubilierte, dass er einfach seine Gitarrenaufnahmen von den verfluchten Demos übernehmen konnte und nichts mehr neu einspielen musste, Dickinson sang seine Takes innerhalb von drei Tagen und damit in Rekordzeit ein, bevor Pro-Tools den Rest besorgte - ich weiß auch im Jahr 2017 immer noch nicht, was das alles soll. 

Alles Käse. 

Zur Abschreckung:




Erschienen auf Sanctuary, 2005.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Herrlig!